Projekt 2004
29.05.2004 - 12.06.2004

Bereits 2002 begannen die konkreten Planungen für unser erstes Projekt im Jahr 2004 in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens. Wir haben uns vorgenommen, 20 Kindern neue Herzklappen zu implantieren.

Wir standen vor 2 unterschiedlichen Aufgaben.

Zum Einen war es erforderlich, entsprechende Kontakte in Addis Abeba zu finden, die unsere Idee unterstützen und fördern möchten. Dazu gehörte die Suche nach einem geeignetem Krankenhaus, welches bereit war, unserem Team einen Operationssaal und Räumlichkeiten für die Intensivstation zur Verfügung zu stellen. Weiterhin sind ärztliche Kollegen vor Ort in Addis Abeba notwendig, die eine Vorauswahl der Patienten vornehmen und eine Langzeitbetreuung nach der durchgeführten Operation übernehmen. Die Kinder mit den neu implantierten Herzklappen müssen nach der Operation lebenslang ein blutgerinnungshemmendes Medikament einnehmen. Die Einnahme dieses Medikamentes bedingt auch eine ständige Überwachung der Blutgerinnung mittels eines Labortests, welcher auch von dem Patienten selbst durchgeführt werden kann.

Die Kontakte vermittelte uns Dr. Kifle Tondo. Er ist Initiator dieses Projektes, Äthiopier und selber Herzchirurg. Wir fanden in der Universitätsklinik in Addis Abeba einen zuverlässigen und sehr freundlichen Kooperationspartner. Die Universitätsklinik heißt Black Lion Hospital. Der Dekan der Medizinischen Fakultät unterstützte unser Projekt mit allen Mitteln und stellte uns mit Dr. Kinfu (Anästhesist) und Dr. Gedlu (Kardiologin) zwei kompetente Kollegen zur Seite. Ohne diese beiden wäre die Umsetzung unserer Ideen und Vorstellungen nicht möglich gewesen.
Andererseits war zu klären, welche Materialien und wieviel Teammitglieder wir für das Projekt benötigen. Wir beschlossen mit 4 Anästhesisten, 2 Anästhesiepflegekräften, 4 Chirurgen, 2 OP-Pflegekräften, 2 Kardiotechnikern und 4 Intensivpflegekräften in das Black Lion Hospital zu reisen. Das Team wurde verstärkt durch Hareg mit Sohn Karingo, Ehefrau von Kifle Tondo, die aufgrund ihrer äthiopischen Herkunft nicht nur bei Übersetzungen, alltäglichen Erklärungen und Hilfestellungen unersetzlich war, sie wurde festes Mitglied des Teams. Weiterhin sorgte Marion Lenz, Pressesprecherin des Städtischen Klinikums Braunschweig, für die professionelle Bilddokumentation. Lennert Koß war als Praktikant dabei und schlug sich tapfer bei seinen ersten medizinischen Erfahrungen.

Bezüglich der Teamstärke lernten wir im ersten Projekt, dass wir mehr ärztliches und pflegerisches Personal im Intensivbereich benötigen.
Die Mitglieder des Teams nehmen für die Zeit des Projektes Urlaubstage und übernehmen die Kosten für die Flüge, soweit möglich, selbst.
Das Projekt umfasst die Planung 20 herzchirurgischer Operationen mit Implantation von Herzklappen einschließlich des Einsatzes einer Herz-Lungen-Maschine und die gesamte intensivmedizinische Therapie nach der Operation. Hierfür werden nicht nur die Herz-Lungen-Maschine an sich, Beatmungsgeräte, Spritzenpumpen und alle chirurgischen Instrumente und die Herzklappen benötigt. Sämtliche Verbrauchsmaterialien von der Seife und Desinfektionsmittel für das OP Team bis zum Absaugkatheter und Verbandsstoffe auf der Intensivstation müssen geplant, besorgt, eingepackt und versendet werden.
Es öffnen sich uns neue Aspekte im Umgang mit Medikamenten, welche zuerst in Deutschland besorgt und gelagert und anschließend international transportiert werden müssen.
Dies betrifft unter anderem Narkosemedikamente, welche dem Betäubungsmittelgesetz
unterliegen.
Weiterhin war es erforderlich, internationale Berufserlaubnisse ausstellen zu lassen, für alle Teammitglieder einen entsprechenden Impfschutz zu organisieren, Zollbestimmungen umzusetzen und vor allem Spendenaufrufe und Spendenaktionen durchzuführen. Wir können hier nicht alle notwendigen Aktivitäten aufzählen, alles wurde jedenfalls zeitgerecht und erfolgreich absolviert. Wir fanden in vielen Organisationen, Ämtern und Firmen Interessierte und Unterstützer, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass dieses Projekt umgesetzt werden konnte. An dieser Stelle möchten wir uns herzlich für die Hilfe und Unterstützung bedanken, ohne Einzelne zu benennen, wenn auch bei scheinbar auswegloser Situation ein Lösungsweg gefunden wurde.
Abflug nach Addis Abeba von Frankfurt war am 29.05.2004.
Nach Ankunft in Addis Abeba fuhren wir in die zuvor organisierte Unterkunft des Internationalen Roten Kreuzes. Danach gab es einen herzlichen Empfang durch die Rektorin der Universität Addis Abeba sowie Kennenlernen der ärztlichen und pflegerischen Kollegen vor Ort. Für viele von uns erster Kontakt mit dem afrikanischen Kontinent und tief bewegende Momente, welche unvergessen bleiben.
Nun sollte es aber auch losgehen. Wir waren froh, dass alle zuvor versendeten Materialien unbeschädigt angekommen und durch Cornelia Schollbach und Kifle Tondo, welche bereits einige Tage vorgereist waren, gesichtet und sortiert wurden.
Das Team teilte sich in drei Gruppen mit unterschiedlichen Aufgaben:
  • Einrichtung OP Saal einschließlich Kardiotechnik mit Herz-Lungen-Maschine
  • Einrichtung Intensivstation
  • Auswahl der zu operierenden Kinder

Hier war Flexibilität und Kreativität gefragt, um unsere Vorstellungen und Erfordernisse, unsere gewohnte High-Tech-Medizin mit den äthiopischen Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Alle größeren und kleineren Hindernisse wurden gemeinsam gelöst, teils unkonventionell aber funktionierend. Interessant war, dass alle irgendwie eine gewisse deutsche Ordnung anstrebten.
Die Ärzte im Team trafen sich mit Dr. Kinfu und Dr. Gedlu. Sie stellten die erkrankten Kinder vor und gemeinsam wurden die medizinischen Befunde gesichtet und die Kinder nochmals untersucht. Die Kinder waren mit ihrer gesamten Familie auch aus abgelegenen Regionen des Landes angereist, teilweise mit längeren Fußwegen. Im Ergebnis dieser Patientenvorstellung wurde festgelegt, welcher Patient und wann dieser operiert werden sollte.
Abends traf sich das Team und alles war vorbereitet für die erste Operation am folgenden Tag.
Voller Spannung und auch mit einer gewissen Nervosität sind wir alle am nächsten Morgen in den Operationssaal gekommen. Unbeschreiblich allerdings müssen die Gedanken und Gefühle von Tekeste Amka gewesen sein, der in seinem Heimatland mit uns und moderner westlicher Medizintechnik zusammentraf. Dieser 15-jährige Junge litt an einer schweren Schließunfähigkeit der Herzklappe zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer (Mitralklappeninsuffizienz) sowie der Klappe zwischen rechtem Vorhof und rechter Herzkammer (Tricuspidalklappeninsuffizienz). Erfolgreich wurden beide Herzklappen rekonstruiert.
Die Anspannung vor der ersten Operation wich bei der Narkoseeinleitung von Tekeste Amka unserem sonst gewohnten professionellen Handeln und das gesamte Team leistete einen hervorragenden Job unter ungewohnten afrikanischen Bedingungen.

Wir möchten hier ausdrücklich darauf verweisen, dass die Veröffentlichung des Namens des ersten Patienten sowie seiner Erkrankungsdiagnosen mit Zustimmung von ihm und seinen Eltern erfolgt.
Es folgen in den nächsten 2 Wochen weitere 19 Operationen, das durchschnittliche Alter unserer Patienten lag bei 14,4 Jahren, wobei wir 12 Mädchen und 8 Jungen operiert haben. Insgesamt wurde 10 mal die Mitralklappe (Herzklappe zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer) durch eine künstliche Herzklappe ersetzt, wobei diese Operation oft mit einer Verkleinerung des linken Herzvorhofes (Vorhofplastik) kombiniert wurde. Weiterhin führten wir bei 2 Patienten den Ersatz der Aortenklappe (Herzklappe zwischen linker Herzkammer und Hauptschlagader) durch. Ein Doppelklappenersatz (Ersatz zweier Herzklappen in einer Operation Mitral- und Aortenklappe) wurde erfolgreich bei weiteren 6 Patienten operiert.
Ein achtjähriger Junge wurde durch unser Team mit einem Herzschrittmacher versorgt und bei einer achtzehnjährigen Patientin spalteten wir Anteile des Herzmuskels der linken Kammer, welche asymmetrisch deutlich verdickt war und somit zu einer Ausflussbehinderung des Blutes aus der linken Herzkammer geführt hat.
Alle Patienten, welche wir wie selbstverständlich als „unsere Kinder“ bezeichnet haben, wurden nach der Operation auf der Intensivstation betreut. Hier lernten wir auch die Familien kennen und gewannen tiefe Einblicke in das äthiopische Leben. Es war insgesamt eine intensive Zeit für „unsere Kinder“, deren Familien und uns, im wahrsten Sinne des Wortes. Eindrücke über diese Zeit können auf dieser Homepage in Form von Bildern unter Galerie gewonnen werden.
Betonen möchten wir an dieser Stelle zwei Dinge:
  • die erfolgreiche Durchführung der Operationen war nur durch die herzliche Aufnahme im Black Lion Hospital Addis Abeba und durch die Mitarbeit und Unterstützung vieler ärztlicher und pflegerischer Kollegen möglich
  • die für uns mitteleuropäisch geprägtes medizinisches Personal ungewohnten und teils gewöhnungsbedürftigen äußeren Verhältnisse haben das Team verbunden
und somit zum Erfolg beigetragen